Blog und Kontakt
Auf dieser Seite äußere ich mich zu bestimmten Ereignissen oder aktuellen Themen in der Literatur. Ich freue mich über Ihre Stellungnahmen dazu oder zu anderen Aspekten dieses Web-Auftritts.
Blog 20
Im Sog des Tramontane
September 2024
Blog 19 - Juli/August 2024
Sonnenfinsternis
Blog 18
Und was ist die Liebe bei alldem?
Juni 2024
Blog 17
Rousseausche Gärten
(Was Voltaires Zadig und chassidische Zaddikim gemeinsam haben)
Mai 2024
Blog 16
Nicht nur ein literarisches Thema: Gedichte als Gebete in Europa
für April 2024
Blog 15
Magnifique: Ein Frauenrecht auf "garantierte Freiheit"
März 2024
Blog 14
Aus gegebenem Anlass: Zum Tod von Alexej Nawalnyj, Reaktion 18. Februar 2024
Blog 13
Was Demonstrationen allein nicht ersetzen können
Februar 2024
Blog 12
Saunagespräche in kalter Zeit
Januar 2024 Bonne année
Blog 11
Ein Telegramm an den politischen Bildungsstandort Schule
Dezember 2023
Blog 10
Wer will eigentlich mit den Israelis tauschen?
- Ein kleines Land, umringt von vielen großen feindlichen...kämpft um sein Überleben
November 2023
Blog 9
Warum sich Lohengrin auch nach Hitler lohnt
Oktober 2023
Blog 8 - September 2023
Wer wir sind? -Vom Überschätzen und Unterschätzen
Blog 7
Wahnsinn unterm Dach
Juli 2023 und im Anschluss Sommerpause
Blog 6
Wo gehobelt wird, da fliegen Spä(h)ne, vom Beruf bis in den Tod
Juni 2023
Blog 5 Mai 2023
Welchen Politikern und Politiken man mehr als eine Auszeit wünschte
Blog 4
Freilachsein - zol zayn a shtikele: Fröhlichkeit!
April 2023
Blog 3 März 2023
Tatsächlich hilft ein Gedicht
Blog 2 Februar 2023
Bildungspolitik ohne Verstand? - Ein Kurieren an Symptomen zu Lasten anderer
Blog 1
Januar 2023
Zur Aktualität von William Shakespeare in digitaler Zeit
Blog 11 (45)
Von Müttern lernen -Salut et enchantée zum 80-sten des kleinen Unterschieds!
Dezember 2022
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Blog 20
Im Sog des Tramontane
September 2024
Es ist nicht nur das helle, ja leuchtende Licht. Es ist nicht nur die Kiefernwürze, die in den tiefblauen Himmel ragt. Es ist nicht nur der gelbgrau-marmorierte Stein, der in rötlich- orangefabenen Kleksen die weißen Kanten seines Daseins als Schönheiten der Naturformung hervorhebt. Es ist nicht nur die ovale Bucht, die hinter der letzten Kurve den Tour Barberousse und, unter ihm, einzelne Famingos im Wasser mit einer schneckenförmigen Häuseranlage verbindet, die sich um den Fels des ehemaligen Fischerdorfs schmiegt.
Es ist nicht nur der Schwall, den die Zikaden aus den Ästen herausratschen, die Luft, die schwanger von der Garrigue ist, die mediterrane Sträucherheide, die, auf flachgründigem Boden mit Steinen übersät, bis zum Meer sich abhebt. Es ist nicht nur der volle, stark besuchte Bouleplatz am Rand vom Stadtteil Les Ayguades, eingerahmt von der Clape, dem Gebirge - oder der vielstimme Bouleplatz am Rande der Gruissaner Altstadt mit Blick auf Gruissans L` étang", n´est-ce pas. Es sind nicht allein die Chalets, die man vom grünen Strand des mit kleineren und größeren Villen bebauten Stadtteils Mateille, umschwirrt von Möwen, erblickt - und ab und an ein fahrendes Auto. Es ist nicht allein die Bar an der Ecke der Hauptgabelung in der Altstadt, die als PMU auch Pferderennen neben Straßen-Musik, Coup de Rosé, und Cacahuettes (Erdnüsse) als Kernbestandteile des Wohlgefühls hier zu sitzen und zu sehen, anbietet wie abbildet. Es ist nicht nur der stille Friedhof auf der antik anmutenden Anhöhe grauen Steins in allen Farben und unweit riesiger Palmen, Kiefern und Zypressen, der in einer Zickzacklinie durch den Schneckenkern zur Grundschule führend, eigentlich direkt gegenüber der Mairie zu finden ist, käme nicht erst die Gendamerie. Es ist nicht nur der Markt mehrmals in der Woche, der seine Gerüche überall hin verstreut wie die perlenden occitanischen Mengs und Pengs der Sprache, die Bücher aus zweiter Hand, die warmen Croissants in den Fingern oder eine fleischige Pflaume im Mund. Es ist nicht nur der große Hafen mit seinen vielen Segelschiffen, Jachten und Booten, den weithin sichtbaren Masten und Wimpeln. Es ist nicht nur das Wasser, das letzte, erste Wasser, auf das man vom Plateau aus auf das Straßenbild der wie Perlenketten um den Kai gelegten Restaurants sieht. Es sind nicht allein die schnaubenden Pferde am Wegrand, die Wander -und Fahrradwege, Les Goules, die bishin zur Ile Saint-Martin reichen.
Es mag klingen wie aus einer Werbebroschüre, aber es ist, was es ist: ein einfaches und doch durch Sensibilität und Landschaftsbewusstsein verwöhntes Leben inmitten von Klippen, Salzmeer, occitanischen Legenden und alltäglichem französischem Leben in kleinen, sehr durchdachten Behausungen im teils nordfafrikanischen Baustil , das den Menschen den Boden für eine Gelassenheit und Sinnlichkeit bereitet, die sie auf sich selbst zurückführt. Eine eingekerbte Spur Nachdenklichkeit, Knochigkeit, eine Art französische Geschichte aus dem Mittelalter aufsteigend, ein Handwerk, die Fischerei und eine Bescheidenheit sowie Verkaufstalente gehören dazu. Die Touristen ebenso und sie werden gebraucht, und viele von ihnen kommen als Familien aus dem ganzen Land, um das Meer an ihrem Golfe du Lion, der französischen Mittelmeerküste, und die Freiluftkonzerte und das feu d ´artifice zu genießen. Wer länger bleibt und wieder kommt oder gar Wurzeln schlägt, hat die Geschichte des vor mehr als 75 Jahren aufgeschütteten Ortes, der Katharer und Albingenser ebenso wie den Klang der weiblichen wie männlichen Troubadoure vor Augen oder im Ohr, und die Dörfer an der Küste oder im Hinterland wie Fleury d ´Aude oder Argens-Minervois mit außergewöhnlichen und typischen Gerichten, serviert am Canal du Midi etwa im Restaurant La Guingutte, sind weit entfernt von jenem präsidialen Paris, das uns an abgehobene, wenig volkstümliche Politik erinnern könnte.
Und dann gibt es auch die strikte Anweisung, den Wald und das Gebirge für viele Wochen nicht zu betreten zur Sommerzeit, wenn die Feuergefahr hoch ist und der Tramontane gefährlich wird. Ungemütlich auch, wenn er vom Wasser aus ins Gesicht pfeift und die Haut ritzt, wenn man am sonst feinsten Strand liegt, mit Kindern im Sand spielt, dann sind die Meeresarme, auf denen Surfer und Padler zu finden sind, umso besser als Ausweichteiche inmitten kleiner Fische zu nutzen. Die Porte Narbonnaise, die Spuren aus römischer Zeit und die Austern, der Salzanbau und die Ferienanlagen für Camper, die trotzigen, von Freiheit der religiösen Anmutung ehemals beseelten Burgen im Hinterland bis nach Toulouse, die maurischen Bauten, die Stätten der Modernisten in Collioure und Figueres, auch die Menora von Céret sind nicht weit.
Aber hinter Fensterläden und einigen durch Patina gealterten Türen in den engen, blumigen Gassen weit hinter dem Hafen sieht man die Dunkelheit heraufziehen. Die Wartezeit, das Brüchige, das Fegen des Windes reinigt die Seele. Manchmal peinigt der Tramontane hier uns mit Wahrheiten, und wir ziehen den Hals ein... Das einfache Leben auf dem Küstenlandstrich kann auch kurz sein, sagen die Lebensdaten nicht nur auf dem Friedhof Gruissans dazu. So viele Stürme, so viele Kriege, so viele Fremde, so viele Visionen, so viel Leid und Widerstand haben diesen Landstrich heimgesucht, er hat sie wie kleine Haufen aufgetürmt und in den Fels gehauene Gesichter daraus gemacht. Nur die Angler können ein Lied davon singen, stundenlang stehen sie mit den langbeinigen Wasservögeln und den Frauen des Languedoc an, um einen Leib oder sich selbst dabei zu empfangen. Es ist eine sonnige, tiefe, manchmal gewaltige und kreative Ruhe, die Menschen, Tiere und die Natur umfasst, die die körperlichen Sinne fühlbar wie steigende Temperaturen beseelt. Sie ist es, die nie im Sog des Tramontane verschwindet.
Blog 19
Sonnenfinsternis
für Juli/August 2024
Eine Eklipse, Verdeckung der Sonne durch den Mond, ist ein außergewöhnlicher Zufall. Die partielle Sonnenfinsternis ist von bestimmten Teilen der Erdoberfläche aus noch erkennbar. Dass Sonne, Mond und Erde auf einer Linie stehen, hat auch keine Dauer. Doch was kommt dann?
Es ist beeindruckend zu sehen und im Alten Orient (Tora, Altes Testament, Koran) vermerkt als unheilvoll -
die Verfinsterung der Sonne galt als himmlisches Zeichen, als Entwendung des Lichts auf dem Pfad der Dunkelheit -, weil eine der wichtigsten Fragen der Menschheit ungelöst blieb und bleibt - Gerechtigkeit unter Ungleichen. Ohne Sonnengötter werden wir aber weiterhin Recht und Gerechtigkeit regeln müssen - auch wenn sich der Himmel verfinstert, in Systemen, die ihrer eigenen Logik folgen, einem Kalkül ohne gemeinsame Ethik, ohne Konventionen und Kompromisse.
Arthur Koestler ließ seinen Protagonisten Rubaschow in seiner Sonnenfinsternis,"Darkness at Noon" von 1941, dazu vor seiner Liquidierung etwas denken, was uns Frauen und Männer heute wieder etwas angeht:
"Vierzig Jahre lang hatte er unter strikter Beachtung der Ordensgelübde der Partei gelebt. Er hatte sich an die Regeln des logischen Kalküls gehalten. Er hatte die Reste des alten illogischen Moralgefühls mit der Säure der Vernunft aus seinem Bewußtsein gebrannt. Er hatte sich gegen die Versuchung des stummen Partners gewehrt und das "ozeanische Gefühl" nach besten Kräften bekämpft. Wo war er nun gelandet? Prämissen von unzweifelhafter Wahrheit hatten zu völlig absurden Resultaten geführt; die unwiderlegbaren Deduktionen (...) hatten ihn geradewegs in den unheimlichen Spuk des öffentlichen Prozesses geführt. Vielleicht war es für den Menschen nicht bekömmlich, alles zu Ende zu denken. (...)
Es war still in der Zelle. Rubaschow hörte nur das Knirschen seiner Schritte auf den Steinfliesen. Sechseinhalb Schritte zur Tür, von der sie ihn holen kommen würden, sechseinhalb Schritte zum Fenster, hinter dem die Nacht sich niedersenkte. Bald war es vorbei. Aber wenn er sich fragte: Für was stirbst du nun?, dann fand er keine Antwort. (...)
Wo aber blieb das verheißene Land? Gab es wirklich solch ein Ziel für diese wandernde Menschheit? (...)
Auch Moses war es nicht erlaubt gewesen, das Land der Verheißung zu betreten. Aber er hatte es wenigstens sehen dürfen..." (London/Stuttgart 1946, zitiert nach: Lizenzausgabe des Behrend Verlages, S. 164 ff.)
Blog 18
Und was ist die Liebe bei alldem?
Juni 2024
Das Material bezeichnet die handwerklichen und optischen Eigenschaften eines Werkstoffes, seine Härte und Maserung, seine Weichheit und Spaltbarkeit, die Farblichkeit und sein physisches Gewicht wie sein psychisches Gesicht. In der griechischen Antike wurden oft Marmor, Bronce und Ton verwendet zur Darstellung von Figürlichkeit, moderne Kunst setzt eine breite Palette von Materialien wie Holz und Metall, Stahl und Lehm ein für bewegende Kräfte.
Die Bewegung und die Zeit entstehen figürlich durch eine dargestelle oder unverstellte Haltung und auch durch Oberfläche, Beschaffenheiten von Leere oder Fülle - Hinweise auf die Gerichtetheit menschlicher Existenzen, wie sie in der Antike durch allegorische und mythologische Szenen gezeigt wurden. Heute drücken wir durch abstrakte Fomen in einem Raum-Körper-Verhältnis aus, was befremdet, uns befruchtet, -die Abhängigkeit und das Verhältnis von Raum und Zeit und Körperlichkeit wechselt; was nach außen geschlossen wirkt, kann im Inneren als Energie wirken, was nach außen offen wirkt, kann im Inneren Leere bewirken, Löchrigkeit und Auslassungen aller Art das Volumen nehmen oder geben. Wie viel Raum wir genommen bekommen haben oder gewonnen haben, sagt uns die Zeit.
Raum und Zeit können auch verschmelzen in einem Augenblick mit dem Rest der Welt und unserem Glauben daran. Trost und Katastrophe, Katastrophe und Trost - und wie mag es mit der Liebe inmitten ihnen und dazwischen sein? So dunkel und groß wie Kafkas Augen ziehen an uns Kriege heran, an uns vorbei, auch in unseren Friedenszeiten ist mitunter alles nichts. Das Grausamste sich vorzustellen ist nicht gering aus Liebe, darüber hinaus zu handeln wegen der Kriege auch nicht. Und dem Krieg selbst in die Augen zu schauen, bedeutet wenigstens andeutungsweise verbunden zu sein mit jenen, die darin sterben. Das ist nicht beliebig, kann notwendig, aber auch nicht wahllos unsere Zustimmung finden, so wenig, wie die Liebe sich etwa im Rahmen einer Programmreihe ausdrücken ließe. Allenfalls sind wir Suchende.
Man kann mangels gegenseitigen Respekts sterben, so beginnt oft ein Krieg. Sind wir hier, fühlbar in Not und Widerstandskraft? Das empfindlichste Geschlecht, die zartesten Schwingungen , die Schwellungen menschlicher Figürlichkeit, ein ziehendes Sehnen und ein tiefes Spüren, ein Vertrautsein zeigen uns an, unerwartet, wir leben. In Erwartung, dass das nicht passiert, was auch passiert. Im Nachvollzug dessen, was lebendig und tödlich zugleich sein kann, nicht aber sinnlos. Jedoch, der Sinn kommt nicht zur Tür herein, wie selbstverständlich. Das Hohelied bleibt mein Gebet. Das zu verstehen , dauert an.
Blog 17 Mai 2024
Rousseausche Gärten
(Was Voltaires Zadig und chassidische Zaddikim gemeinsam haben)
Gerecht sein, geheimnisvoll und unerkannt, ein Grund, auf dem Lebensfomen beruhen, das Schicksal bestimmen wie Aristoteles "unbewegter Beweger", einsehen, dass wir nicht die beste aller Welten haben, sondern ebenso grausame, wie es der Zadig von Voltaire erlebt, all das liegt vor, in und zwischen uns.
In den Gärten von Rousseau gibt es Blüten in allen Farbtönen ohne Dunkelheit, gerade entpuppte Schmetterlinge und nistende und brütende Vögel. Es gibt einen gestohlenen Löffel und eine fremdes Ei, das ausgebrütet wird. Es gibt Schwäne, darunter den schwarzen, den man früher hässlich nannte, bis er schöner wurde als alle anderen. Und es gibt - fernab und nicht fernab von übertriebener Etikette, Willkür, Raub und Mord, von Kriegen und Hungerkrankheiten, selbst herbeigeführten und fremdverschuldeten - ,
eine fühlbare Zeit, mit der man sich selbst und all das überleben kann.
In meinen Rousseauschen Gärten gibt es Frauen, die sich nicht aufgeben, die sich aus Verstrickungen befreien, die lange in der Tiefe bohren, bis sie auch im Wüstenland Boden gewinnen und Wasser schürfen oder Leben finden und bewahren wie Esther und Judith und Maria Magdalena. Frauen, die über eigene Ausdrucksmittel verfügen, ohne in Glamour und Allüren und Regelwerk zu verschwinden.
Der Abschied von der Öffentlichkeit ist nicht per se unpolitisch, man muss nicht sich in den Schatten stellen, um andere ins Licht zu setzen, nicht selbst ins Dunkle treten, damit andere besser strahlen. Das erleuchtete Ich braucht Helligkeit und Schatten, um ein vielfältiges Glühwürmchen, kein Wurm zu sein.
In meinen Rousseauschen Gärten reicht es nach innen zu gehen, um nach außen zu wirken,
auf Zeit, mit Muße und in Unzeiten.
Blog 16
Nicht nur ein literarisches Thema: Gedichte als Gebete in Europa
für April 2024
Nach dem Motto " Freude herrscht in jeder Zeile, wo sich Gott als Name zeigt"... des jugendlichen Ossip Mandelstams, in etwa auch schon vertraut der Romantik aus Jena, ist das Gedicht-Gebet von 1915 ( i.Übers. v. R.Dutli ) ein Glaubensbekenntnis, das auch heute Gehör finden mag:
Einer unerhörten Freiheit
Bei der Kerze nachgedacht
- Du sollst vorerst bei mir bleiben -
Weint die Treue durch die Nacht.
- Einzig ich leg dir jetzt meine
Krone auf zu deinem Glück,
Daß nur dem Gesetz der Freiheit
Du dich immer liebend fügst...
- Nur der Freiheit ganz alleine
Geh verlobt ich bis ans Grab,
Diese leichte Krone nehme
Ich wohl niemals wieder ab...
( aus: Mandelstam. Eine Biografie, S. 124, Zürich 2003)
Blog 15 März 2024
Magnifique: Ein Frauenrecht auf "garantierte Freiheit"
Magnifique - herrlich, auch wunderschön. Garantierte Freiheit als eine europäische "Leitkulturantwort" gegen fundamentale Tendenzen patriarchal-religiöser Staatsentwicklungen, eine indirekte, lang verhandelte Antwort auf die Reglementierung in den USA seit 2022, die das bundesweite Recht von Frauen auf Schwangerschaftsabbrüche aufhob. Nun entscheiden dort die Bundesstaaten für sich, in Deutschland ist die Prostitution als freie Sexarbeit legal, aber ein Abbruch eine Straftat, die bei Beratungsnachweis nicht geahndet wird. Merkwürdiges 21. Jahrhundert. In einer Zeit, in der viele emanzipatorische und freuenrechtlerische Entwicklungen in fade Klischees münden und oft in frauenfeindliche Tendenzen umschlagen, ist es erfreulich, dass nicht nur jetzt in Polen ein liberaler Wind, sondern auch in Frankreich eine frische Frühlingsbrise weht - über das praktisch legale Recht von Schwangerschaftsabbrüchen hinweg eine verfassungsrechtliche Garantie der Freiheit, dieses Recht in Gebrauch zu nehmen, mit sich bringend. Das ist weniger als das Verfassungsrecht selbst, aber mehr als nur ein Pariser Konsens nach diskursiver Debatte.
Nicht das "Warum, Wieso, Weshalb" und ob und wie und wer oder was machen einen politischen Fortschritt in einer humanistisch - europäischen Tradition der Aufklärung trotz ihrer andauernden Widersprüche und abgrundtiefen Dialektik aus, hier der weiblichen Freiheit bei allen zu bedenkenden Fürsorgeethiken. Rahmenbedingungen mögen praktisch nicht überall gleich aussehen, der Staat verpflichtet sich dennoch, die Freiheit, die darin gedeihen soll, zu gewähren und zu schützen. Gedeihen- Prospérer; das bedeutet werdendes Leben mit bestehendem Leben in Einklang bringen zu können, so schmerzlich das im Einzelfall des Für und Widers sein mag - und so gern das menschliche Wesen als neues Leben im Prinzip zu begrüßen ist. Es geht nicht darum die Frauen beliebig zu entlasten in einer schweren Entscheidung, die niemandem leicht fallen sollte - aber auch wenn man individuell anders handeln würde, muss die Freiheit der weiblichen Bestimmung über sich selbst zur moralischen, natürlich auch reflektierenden und im Gespräch sich prüfenden Existenz gehören, über die niemand anderes verfügt als die betroffene Frau selbst:
Ca ce n´est pas une rue à sens unique.
Blog 14
Aus gegebenem Anlass: Zum Tod von Alexej Nawalnyj, Reaktion 18.Februar 2024
Fjodor M. Dostojewski wurde, perfide genug, wenigstens begnadigt. Sorry, ein Regime, das auf Morden basiert, ist im 21. Jahrhundert so klein wie das Römische Reich vor dem Untergehen.. aber das hat gedauert und war peinlich genug. Sehen wir uns das heutige Italien an... auch wenn die Frage im Raum steht, musste er nach Russland zurückkkehren? Größe ist etwas, was im Kampf zwischen Geist und Macht ausgetragen wird. Was werden Putins Nachkommen einst dazu vermelden?
Spasibo, Danke an alle, die in Russland den Mut haben, Blumen für Nawalnyj hinzulegen. Danke an alle, die an die russische Kultur und Nation glauben (außerhalb von Zensur), die über Europa hinaus die Welt inspiriert und inspirierte. Danke an alle Russen, die nun unter Repressionen leiden, in diesem wunderschönen, bedeutsamen Russland mit europäischen Wurzeln. FSB, Putins Netz, was haben sie mit der Idee Dostojewskis, Tolstois, Achmatowas, Mandelstams, des frühen Marx, Trotzkis, Politkowskajas zu tun? Sie, die Zaren, sind tot und: Rachmaninow, Schostakowitschs " linksradikale Zügellosigkeit" und "kleinbürgerlicher Formalismus", - barbarischer Dummheit eingedenk - Prokofjew, geb. heute Doneszk, Ukraine, geb., an demselben Tag wie Stalin gestorben. Das blieb Nawalnyj erspart. Es sei an die 11. Sinfonie in g-Moll erinnert. Schließlich haben Brecht unsd Seghers auch Irrümer begangen, aber nicht für Geld, Money, Argent, Den`gi gemordet...
...mes amitiés, mes salutations distinguées, Alexej, dem Unvergessenen!
Blog 13
Was Demonstrationen allein nicht ersetzen können
Februar 2024
- dass man den Osten im Land kennenlernen müsste, weil man Land, Kultur, Historie und Lebensformen kaum kennt
- das Einfühlen in jüdische Geschichte ohne direkte Zeitzeugen und das Erforschen israelischer Geschichte und Gegenwart statt stereotyper negativer Eindrücke und einfacher Zuschreibungen
- nicht nur über die AfD zu reden und zu schreiben, sondern mit vielen AfD-Wählerinnen und Wählern zu sprechen, diskutieren, sich konfrontiert sehen, auch in den sog. gehobenen Schichten
- nicht ersetzt wird bisher auch die Tatsache, dass 100 Jahre Arbeit in einem sehr breiten Berufsspektum zum selben Rentenniveau führen wie fünf Jahre Arbeit auf einer Regierungsbank
- dass also antagonistische Widersprüche das Verhältnis zwischen Wirtschaft und Demokratie kennzeichnen und die Frage nach dem Staat nicht nur durch Putinistische Politik erst relevant ist
- dass der Gewerkschaftszulauf mit Arbeitnehmerkämpfen, auch die Bauernproteste, mit dem Einsatz um den Leib und direktes Wohl zu tun hat
- dass eine ganze Reihe von erwachsenen Kindern neuer Wohlstandsgenerationen sich hierzulande zu entwurzelt oder zu eigen fühlt, um neue Kinder zu bekommen
- dass Tatenlosigkeit bei der Hilfe und Integration von ehemals verfolgten Menschen wie der Sinti und Roma Gleichgültigkeit zu Grunde hat, ihre Wahrnehmung halbherziger erfolgte als viele Asylgesetzgebungen für Immigranten
- dass deutlich mehr als 50% der Medienmacher und Zeiger bei Öffentlich-Rechtlichen überbezahlt sind bei überzogenen Rundfunkgebühren oder schlechter werdendem Fernsehen, aber als selbstlose Gutmenschen sich darstellen, die anderen die Welt erklären müssen - und wehe, es stimmt nicht bei der Ordnung dessen, was gut und was böse ist.
- dass nicht alles, was am Jahrzehnte währenden Establishment und einer politischen Elite als Heuchelei zu entlarven ist, nach rechts rückt
- dass die Frauenemanzipation derweil Rückschritte erlebt auf vielen Ebenen, nicht nur der der Gewaltanwendung, bei der Rentenarmut oder im Bereich Kulturträgerschaft, sondern im Kopf
- dass Bildungs(ab)brüche- und innere Schulbaustellen, Sprach- und Denkinkompetenzen nicht mit digitalem Law- and Order - Totalitarismus im Bürokratiegewerbe zu beheben sind, während staatliche Schulgebäude ruinös heruntergewirtschaftet bleiben
- Und: Wenn wir alle zu Hause bleiben, wird natürlich auch nichts besser...
Oder: Wenn wir alle nicht mehr lesen können, können wir auch auf die Straße gehen und singen, statt wie früher zu beten
Blog 12
Saunagespräche in kalter Zeit
Januar 2024 Bonne année
Wenn man in einer öffentlichen Sauna Platz nimmt statt in der heimeligen zu Hause, falls es sie gibt, hat das den Nachteil, dass man den heißen Raum in kalten, manchmal finsteren, manchmal dämmrigen Zeiten teilen muss. Der Vorteil ist, - neben der unerquicklichen Lautstärke mancher ungehobelter Zeitgenossen und tratschender Zicken -, dass die Neuigkeiten und Schwierigkeiten des Lebens oft ungeniert miteinander kombiniert ans eigene Ohr gelangen.
Dann trifft es sich bei gemeinsamen schweißigen Körperteilen, dass ein nicht auf den Kopf gefallener zukünftiger Abiturient von einer neuen Literaturlektüre spricht, die quasi im Kartellprogramm eines riesigen Verlagskonzerns zusammen mit Managementlektoren und konditionierten Ministerialbürokraten über den Schultisch gezogen an die Oberstufe weitergleitet wurde, die so gewollt geschwollen-trocken, gedreichselt langweilig und bemüht distanziert in naturschwelgerischer Prosa eine Thematik quäle, ohne zu beachten, was dazu schon geschrieben worden wäre, damit diese wie neu durchzukauen sei, oder damit die Finanzen beim tenorhaften Heimspiel der Kommentatoren die heimsuchend von meisterhafter Wucht und großartigem, sensationellem, nein, weltruhmhhaftem, augezeichnetem Undsoweiter gegeben werde, aber selbst die Unterrichtenden aller Ränge untereinander nichts anzufangen wüssten damit, zumal ja, er, der angehende Abiturient, sich damit in keiner Weise abgeholt fühle, da er, wie gesagt, andere Lektüren zum Thema auflisten könne, die intensiv sprachlich zum Allgemeinwohl bereits damit beschäftgt gewesen waren, d.h. früher verlegt worden seien. Er habe gehört , wie aus den Fachbereichsleitergremien ein mehr als lautes Geflüster zu hören gewesen sei, welches die Auswahl dieser Lektüre für alle mit großen Fragezeichen versehen habe oder auch nur mit dem Zeigefinger an der Stirn herumtippendem Schulterzucken. Wahrscheinlich seien sie alle, alle zu doof für die Elite und das epigonenhafte Polittheater einer sich selbst konstituierenden Elite, die Kapitalismus zu Geist erklärte, sagte der Zuhörende schweißnass. Es sei jedenfalls kein Betriebsunfall, wie solche Dotierungen zustande kämen. Immerhin hätten gewisse Buchläden und Buchladenketten ohne ausgeklüngelte Kontaktsperren und Autoren ohne Geheimdienstintrigen etwas davon. Dann aber ward diesen beiden Jungen die Hitze doch zu groß, sodass die Tür auf- und wieder zugeht.
Nun waren zwei Betriebler am Zuge meiner kaum zu bedeckenden Ohrmuscheln, die sich ausführlich über das neue Abhörsystem zur Anwendung von Bespitzelung austauschten, weswegen nicht nur die größten Tageszeitungen über erfolgreiche Klagen von Prinzen gegen Klatschpressen zu berichten wüssten, die die Ergebnisse von abgehörten Telefonaten zu größeren Einnahmezwecken veröffentlicht hatten. Das wäre aber auch kein Zufall gewesen, sondern Pegasus sei schließlich griechischer Mythologie zufolge das Kind des Meeresgottes Poseidon und der Gorgone Medusa gewesen. Und auch wenn man nicht wüsste, was eine Gorgone sei, könne man wissen, dass eine Spyware zum Ausspähen von digitalen Geräten alle Art unbemerkt auf Daten zugreifen und sie über Internet versenden könne. So könne jedes Handy und jeder PC geheimdienstlich oder innenbehördlich weltweit unter die Nacktheit zum Schwitzen gebracht werden, samt Fotos oder Mikrofontätigkeit und aller Art von Abhörtätigkeiten von Auto zu Auto, oder Frau zu Frau, was die dämlichsten und verfluchtesten Leute, die sich selbstgerecht mit Listen über Feinde schmückten, zu Gebrauch machten, ohne hinter Gitter oder auf Geldbußen zu kommen. Und die Männer erst, die sich so geschickt unauffällig die ulkigsten Blick- und Körperkontakte nicht nur im Saunabereich einfallen ließen. Ja, da kann man fast vom Theaterrepertoire auf Balkongeländerplateau wie vom Winde verweht dahinschmelzen, und zwar ohne Hitzewellen! Schließlich sei nicht jeder ein Prinz und nicht jede eine Prinzessin, nicht wahr, das gelte auch für die lieben Gemeindemitglieder des Telefonabhörens samt Geräuschpaletten und Aufwartungen originellster tagträumerischer Arten! Da nun aber das Saunieren unterbrochen wurde durch einen Aufguss, konnte ich nicht mehr verstehen, was im Schwall der Worte unter Wasser geriet, daher gerieten meine Beine ruckartig in Bewegung.
Bevor ich aber die Tür zum öffentlich zugänglichen Saunaraum schließen konnte, hörte ich noch, wie ein älterer Herr seiner Dame das Saunatuch zurechtlegte mit den Worten einer bekannten Versszeile aus den mephistophelischen Selbstbeschreibungen... der kleine Gott der Welt...er nennt´s Vernunft und braucht´s allein, nur tierischer als jedes Tier zu sein... und ich wusste nicht, meinte er das Musikgetöse um eine Schlagershow, der 45 Millionen-Verträge für ein paar Jahre zugrunde lagen für den Master der Show oder die Brot- und Spiele- Tradition der Römer, von der er vergleichend sprach angesichts von schweigenden Kriegsgewinnlern, die zur Teilnahme an Weltsportwettbewerben zugelassen werden, während ihre landeseigenen Staatsfunktionäre öffentlichwirksam für ein Gedicht fünf Jahre Gefängnis verhängen? Oder meinte er die politischen Akteure aus den europäischen Milliardärsschichten gegenwärtiger Systemkonkurrenz, die das bezahlen? Jedenfalls, ohne weitere Hintergründe zu nennen, orgelte er ordentlich lauthals seiner Angebeteten zu, es scheine ihm so, scheint´s nicht nur der Illusionen wegen, auch versicherungstechnisch in der Kunst wie in der Musikbranche ein fluides Schmiermittel zu sein, den Künstlern, die aus weniger unbilligen Milieus kommen, jede Drogenkarriere vorauszuplanen, die sich dann später umso mehr rechne, wenn einige von ihnen den Nimbus der Ehrengalerien und Pantheons erklommen haben würden, um der Kulturindustrie kanonisierte Investitionszyklen zu bescheren.... Das zumindest, dachte ich bei mir, während ich die Tür schloss und in die Gummischlappen schlüpfte, hat der Authentizität einer Nacktkultur längst den Rang abgelaufen.
Blog 11
Ein Telegramm an den politischen Bildungsstandort Schule
Dezember 2023
Wie viel kostete ein letztes, ein allerletztes Telegramm? Die günstigste Variante, Platz für so und so viele Zeichen - genauso viele wie in einer SMS - schließlich darf nicht mehr an die Kreidezeit erinnern, was in aller Munde sein will und sich nicht gleich überlebt: Das war eben noch (2022), heute gilt es schon nicht mehr.
Aber der Kunstmarkt zeigt noch erhobenen Hauptes, was Geschichte für einen Preis haben kann. Und es geht immer noch ab und an nicht nur um Geld und Elite, sondern um Handwerk, Tiefe und Kunstsinnigkeit. Einzelfähigkeit und solide Kompetenz im eigenen Fach rechnen sich zwar auch hier nur "öffentlich", aber wir dürfen daraus etwas ableiten: Die Kernressourcen unseres Landes sind die Köpfe seiner Menschen, könnte man meinen, unter gewissen Voraussetzungen. Allerdings müssten die Köpfe dann Grundlegendes über die Welt wissen und sich Herausforderungen stellen können. Auch die Schule ist dafür eine Schule - neben anderen Wesentlichkeiten. Das Potenzial von Schülerschaft gut zu entwickeln, bedeutet ohne schablonenhafte Worthülse, Nachrichten von diesen Schülerinnen und Schülern heute zu überprüfen, bedeutet die Doppelmoral der unartikulierten Konkurrenz gleich mitzubedenken, denn mit H.M. Enzensberger gesprochen, ist ja auch vielfach der Journalismus als Eiertanz (1962) immer noch aktuell. Aktueller denn je, möchte man angesichts des Internets meinen.
Und erst die Bewusstseinsindustrie zeigt uns sehr gewandt wieder in neuem Gewand, dass die solide tragfähige Anstrengungsbereitschaft nicht gefördert wird dadurch, dass man auf Leistungsbereitschaft verzichtet, sowohl im Unterricht als auch zu Hause. Diese von Staats wegen autonom konzipierte Schule wird der Lehrerschaft freiere Hand geben, als es jede digitale Verwaltung und Formales ersatzweise kann... diese würden auf ein Mindestmaß reduziert werden müssen, damit der Lehrberuf wieder etwas mit Leidenschaft, Inhalt und Auswahl von Inhalten zu tun hat, statt mit politischem Lobbyismus und untertänigster Dienstleistungsgefolgschaft. Die gute Schule wird die Unterrichtszeit und die häusliche Nacharbeit und Vorbereitung dem Lernen widmen. Sollten wir im Telegramm-Stil erinnern, was das ist, war und wieder werden könnte? Die Elternschaft wird in diese Angelegenheit etwas distanziert und doch verantwortlich eingebunden, Mitverantwortung für Leistung und Lernen sind wieder einzufordern. Mit diesen Standardfähigkeiten optimal ausgestattet, wird jede Schülerin und jeder Schüler in unterschiedlicher Weise eine Teilhabe am Gemeinwesen organisieren können, an einer eigenen Erfüllung im Sinne eines selbstbewusst gestalteten Lebens arbeiten, wo es die Innen- und Außenpolitik eines Landes zulässt. Dazu gehört allerdings doch mehr als ein Tablet, ein Telegramm und eine SMS - gute Schule ist anspruchsvoll.
Eine Vision gehört dazu.
Blog 10
Wer will eigentlich mit den Israelis tauschen?
- Ein kleines Land, umringt von vielen großen feindlichen Staaten...kämpft um sein Überleben
November 2023
Erst dachte ich, ich müsste aus Richard C. Schneiders "Alltag im Ausnahmezustand" zitieren, über die Angst, die immer dabei ist, das Trauma des Holocaust , der Shoa, die Kriege, ausgehend von aggressiven arabischen Staaten, den ewigen Antisemitismus, den H. M. Broder schon vor Jahrzehnten beschrieb, Europa als oft antisemitisch orientierten oder agierenden Kontinent - früher hätten wir Russland dazuzählen wollen.
Wenn man viele der Fakten bedenkt, die etwa Ronen Steinke oder Julia Bernstein zusammengetragen haben, die Geschichte und Gegenwart der Gewalttaten allein in Deutschland in den letzten Jahrzehnten und die qualitativen Studien, die lange nach dem völkisch-rassistischen Antisemitismus der NS-Diktatur noch immer Aufschluss darüber geben, wie antisemitische Stereotype nachwirken, dann ist der Weg zum Judenhass in der arabisch-islamischen Welt, dem Dschihad und der Fusion zwischen Antijudaismus in Christentum und Islam und dem Antisemitismus der Moderne als Auffangbecken der nationsalsozialistischen Propaganda in der islamistischen Ideologie nicht mehr fern. Folgerichtig besagt der Artikel 7 der Charta der Hamas, dass die Muslime die Juden töten werden, bis sie sich unter Stein und Baum verbergen und diese dann Oh sagen, Diener Gottes, komm und töte..., was nicht nur eine Personifikation und Tautologie beinhaltet, wie wir aus dem Schulunterricht wissen, sondern auch eine Verkehrung des pantheistischen Gottesgedankens, den der Jude Spinoza für die Welt in Gang gesetzt hat.
Und dann gingen die Gedanken zu einem Pazifismus hin, der sich für die Existenzbedingungen Israels nie interessierte, auch nicht für die Millionen Flüchtlinge, die dort aus vielen Ländern zusammenströmten. Und zu den Friedensrufen als Hinterhalt von Mördern, wie es Paul Spiegel nannte, kommt dann noch das Unwissen über den Unsinn einer Zweistaatenlösung, die sich selbst feindlich umzingeln würde auf einem Stück Erde, nicht größer als Hessen, während die großen arabischen Länder nicht teilen möchten. Alles umzingelt sich, hauptsache die Logik der Zweistaatenlösung wird nicht transparent auf etwas Drittes übertragen. Nun bin ich eine Frau und weiß genau, dass sich der Antizionismus auch gerne nach Auschwitz gegen den jüdischen Kollektivgdanken wehrte, also bis heute gegen den Staat Israel richtet - und zwar nicht nur in der Ultraorthodoxie selbst - sondern auch bei jenen, die das Kollektiv des palästinensischen Volkes immer dann im Mund halten, wenn sie eigentlich sich selbst meinen. Und hier bin ich schon bei Yair Lapid angekommen, der vor Tagen nicht nur die globale extreme Linke fragte, ob sie Gefühle von Fakten unterscheiden könnten. Oder mit ihm, in seinem Sinn gefragt, " wie viele Juden sterben müssen, bevor Sie uns für alles verantwortlich machen, was passiert?" (Times of Israel, 25.3.23), um dann taktlos, wie er das ironisch nennt, sich auf die Erinnerung von 6 Millionen Juden zu beziehen, die viele gerne vergessen würden, weil 1400 ermordete Menschen wesentlich weniger sind. Aber das Gefühl, dass die Palästinenser leiden - und vor allem das eigene Mitleid - überwiegt, macht einem besseren Menschen und der Hamas mehr Freude, zumal sie eine Zwei-Staaten-Lösung nicht unterstützt. Die Hamas ist auch keine liberale Volksregierung mit humanem Rechtsgefüge. Aber die Kommandogesellschaft des Terrros ist schon als Widerstand um der Dämonisierung des jüdischen Staates wegen "gut", weil sie die Maschinerie eines Desinformationsnetzwerkes zustande bringt, die nicht nur dem Terror und den hinter ihm stehenden mächtigen arabischen Staaten, sondern allen möglichen Menschengruppen dazu dient, sich ein Ventil zu verschaffen - und das ist der Judenhass. Die Philosophen würden dies zwar einen naturalistischen Fehlschluss nennen, aber die Slums in Kalkutta oder die Favelas in Rio oder die Armut hinter dem Atlasgebirge Nordafrikas wühlen einfach nicht so auf.
- Nein, es reicht nicht, dass die Juden seit Titus 2000 Jahre lang nicht ihre Heimstätte besiedeln durften, es reicht nicht, dass in Spanien per Ausweisungsedikt 1492 samt Pogromen und Verteibungen und Verbrennungen die sephardischen Juden eliminiert wurden im Land. Mit Blick auf den trüben November und unser Datum 9.11.1938 - Reichspogromnachtgeschehen - und eingedenk, dass inmitten Russlands glänzender ehemaliger Kultur Stalins Säuberung zigtausende träumerisch-progressive jüdische Sozialisten hinwegmordete. Es reicht nicht, dass den Zielkonflikt , eine Terrorherrschaft zu beenden und Geiseln befreien zu wollen oder die Zivilbevölkerung vor und hinter der Gazagrenze zu schützen, nicht das israelische System verursachte. Es kommt vielmehr der Punkt, an dem das ganze zerstreut wird, weil die Fakten kaum wirklich interessieren, man kann sie nachlesen, erleben, nachleben, gedenken, erinnern, recherchieren, sich vergegenwärtigen, ja fühlen, aber mit wem? Vielleicht mit Ihnen?
So wenig ich möchte, dass Töchter emanzipierter Frauen patriarchal arabisiert werden, so wenig ich finde, dass verdeckende Kopftücher in graurot oder rotgrau oder gräulichrosé eine richtige Mode mit Selbstbewusstsein darstellen, Tag für Tag, da Mode etwas mit Freiheit und Individualität und Bewegung und Luft zu tun hat, so wenig möchte ich darüber schweigen, dass dieselben Syrer, Iraner oder Türken, für die ich Wohnungen bereitstellte, vermietete, für deren Kinder ich früher lange Hausaufgabenbetreuungen kostenlos machte, mich kümmerte, nebst der Erfahrung völliger Verschrottung frisch renovierter Gehäuse nach wenigen Monaten und Eigentumsdiebstahl nach vielen materiellen und gegenständlichen Gaben, bürokratischen Hilfeleistungen, nebst der Erfahrung arroganter Gewaltbereitschaft beim Klagen, beim Pöbeln gegen Vermieterin, Frau und Kind, dass man als eingewanderter Patriarch der Familie verbieten konnte, deutsch und demokratisch zu sprechen, um sich mit Lügen und Betrügen zurückzuziehen, wenn man Pflichten des gemeinschaftlichen Verhaltens erwartete, die die Intregrationswilligkeit hätten bezeugen können ... dass sie sich in einem fatalen Kulturkampf befinden. Diese Menschen (auch das ein Fakt und ein Gefühl, über das nicht geredet wird, weil es angeblich rassistisch ist) sollen bitte zusammen mit Deutschen türkischer Wurzeln, die Erdogan wählen, gerne zu ihm gehen und dort sesshaft werden. Statt Neukölln- Krawall und Ruhrpottgegröhle archaisch dumpfbackiger Art oder etwa die Israelfahne in Hanau abzureißen, zu bepinkeln und zu verbrennen und sich dabei zu filmen - wünsche ich mir neue Fakten:
Die Waffen der Sprache, der Hände, des Herzens gehören zur Souveränität unserer deutschen und europäischen Juden, und die Waffen der Einwanderungsgesellschaft sollen von denen getragen werden, die hierher kamen, um sie, unsere Juden der Diaspora und ihren Staat, zu schützen. Und wir mit ihnen.
Blog 9 -Oktober 2023
Warum sich Lohengrin auch nach Hitler lohnt
Am Anfang steht immer die Intrige, weniger das Licht. Dann folgen die Spitzel, sie sind überall, im Buchgeschäft, auf der Straße, in Warenhäusern, unterm Volk, am Strand, in den Parks und in den Museen. Heerscharen von Eingebildeten, eine moderne Reservearmee von innenpolitisch äußerst wirksamen Fachidioten, mancher Unterhändler aus der antibürgerlichen Welt hat weniger Schmieröl an den Händen.
In der derzeitigen Aufführung von Wagners Lohengrin im Wiesbadener Staatstheater hat die Regisseurin sie auf universitär anmutende Apparatschik-Plätze gesetzt, wo sie skurrile Normalos, jämmerliche Untertanen oder anbetende Beschwörer der heimatlichen Gefilde sind, im Hintergrund Hochhäuser und Masse Mensch auf der Brücke, die Skyline betrachtend, ab und an rollt auch ein Panzer vorbei, gestern und heute.
Oder das Volk kommentiert als griechischer Chor den Ruin von Elsa, findet die hinterhältige Heuchelei von Frauen ebenso geschmacklos wie die altvertraute Grausamkeit der Männer, weswegen das Gesetz, das Lohengrin dagegen setzt, auch ganz ohne Waffen auskommt. Unterkannt ist er und will er bleiben; und das hat eine zuerst jüdische, auch monotheistische und jüdisch-christliche Tradition, die lange vor Hitler heilsam war und doch das Licht gebar, das am Anfang stehen könnte.
Daher kann das sagenumwobene Heil des Grals trotz der deutschen Sprache der Dichter und Denker und auch der Henker nicht an ihm vorbei, der die europäische Wiege und den Nahen Osten beflügelt: mach dir kein Bild von der Transzendenz und, wie immer du sprichst, du erreichst mit Worten das Absolute nur andächtig; und die spirituelle Energie der Liebe und Sexualität fragt nicht , warum und wer und wieso an diesem Ort, wenn sie sittlich die Geschlechter, welcher Mischung auch immer, beflügelt. Denn ein Engel ist bei ihnen, - bei einer und einem jeden - , wie Rilke es nannte.
Und Lohengrin hat in Wiesbaden nicht nur eine Stimme, sondern eine Dialogbereitschaft unters Volk gestreut, sodass viele in ihrer Unterschiedlichkeit hervorkommen und den Apparaten entweichen, andere lebendiger werden und wieder andere dem Widersacher nicht das Wort überlassen, auch wenn ihr Herrscher ein gebrechlicher, alter Mann im Rollstuhl ist und der entführte Junge zu schwach, um seiner Mörderin Einhalt zu gebieten.
Das ist der Mensch - wie die Frau, die nicht über ihre Kränkung hinwegkommt, keine besondere eigene Regie zu führen oder die, nicht über den Mann triumphieren zu können, oder die, die die eigene Stimme entwickelt, und dann leider verstummt. Und er - versteigt sich im flatternden weißen Vorhang und lässt Frauen sein dreckiges Geschäft abwickeln oder er, der Gnade erhält und den doch nur rivalisierende Rachlust antreibt. Und dazwischen hebt das Orchester den Schwan als Symbol der beflügelnden Verwandlung in einen Himmel, der von epischer Distanz gebrochen wird.
Wer also mit anderen im Bett liegt, sollte niemals feige sein und ganz bei sich bleiben.
Bravo nach Wiesbaden ins Staatstheater!
Blog 8
Wer wir sind? -Vom Überschätzen und Unterschätzen
Das nächste System ist immer das bessere, sagt ein Sprichwort - der Mörder ist immer der Gärtner, sagt ein anderes Sprichwort - und der König ist tot, es lebe der König, sagten die Leute in Europa früher; und mit vielen Alternativen für Deutschland, die sich anbieten, wird sich auch nichts daran ändern.
Aber warum von Politikern, von Beruf in der Öffentlichkeit stehend, so langsame Einsichten in Fehleinschätzungen, Schablonen und Überheblichkeit, zögerlich und politisch bislang unwirksam? Plutokratie, Mediokratie, Technokratie sind kapitalistische Strukturprinzipien, aber garantieren keine Herrschaft des Volkes. Wenn diese Demokratie keiner formalistischen Schablone folgen soll, fragt man sich, warum die größten Preisträger von gestern, heute und morgen stets vorher schon die bekanntesten, namhaftesten und erfolgreichsten waren. Warum die Überheblichkeit von selbst ernannten Eliten über die arbeitende Bevölkerung oft hinwegfegt mit einem Sound der zwanghaften Reglementierung und dabei unermesslich viel mehr verdient an Anerkennung und Wohlstand als alle diejenigen, die sich daran halten müssen? Warum die Heuchelei von Intendanten mit Monatsgehältern, die einen Sterntaler zum Lachen bringen würden, größer ist als die Fantasie über ihr Volk, das sie zu bedienen meinen? Warum man in Apparaten und Bunkern Herrschaft betreibt und Freiheit und Demokratie einer Menge Leute überlassen bleibt, die als politische Kaste auch im späten Mittelalter Abnehmer gefunden hätte? Warum der Journalismus so unanständig bezahlt wird, dass er keine fünfte Säule einer rechtschaffenden überprüfenden Herrschaftskontrolle mehr darstellen kann? Warum Staatsdiener in den höchsten Rängen nicht mehrmals im Jahrzehnt die Aufgabe haben, ihren Platz unterm Volk einzunehmen, in der Praxis, auf dem Gelände, das ihnen anvertraut wurde? Und warum, wenn Demütigungen und Ressourcen verteilt werden, sehen wir eine proportionale Weichenstellung von unten nach oben? - und Bevölkerungsgruppen, die sich so fremd sind wie in biblischen Zeiten? Warum, warum, warum....
Warum es gefährlich ist, das Unbehagen in der Kultur, das Überschätzen und das Unterschätzen nicht lokal zu verorten und nur aus zentralistischer Perspektive zu erörtern, liegt schon so lange auf der Straße - aber die Kutsche fährt, inmitten von Krieg und Frieden, und die Bettler sind unsichtbar. Und dazwischen ist jede Menge Staub, aufgewirbelt, zum Greifen nah.
Blog 7
Juli 2023 und im Anschluss Sommerpause
Wahnsinn unterm Dach
Neulich habe ich zuerst an eine Wärmepumpe gedacht. Die 50.000 Euro habe ich immer im Wohnzimmerschrank herumliegen. Zur Bestechung der Handwerker liegt stets Geld im Klavierschallkörper bereit. Dann war aber der Abstand zu den Nachbarn nicht groß genug, deshalb habe ich an eine Solaranlage mit vorheriger Dämmung gedacht. Dazu müsste ich meine sechsstellige Hemmschwelle überschreiten und nur den Job wechseln, um mehr zu vedienen, alles andere bezahlen Verwandte mit, entweder Kinder oder Eltern, es geht also ums Erben, und dann gibt es Streit. Oder es dauert zu lang, und ich sterbe zwischenzeitlich, da ich am jämmerlichen Häuschen ohne ökologische Transformation zu lange gearbeitet habe, dumm von mir.
Deswegen wäre es am besten, ich würde ein eigenes Windrad aufstellen, das könnte dann nicht nur zur Wärme- und Stromerzeugung, sondern auch für Don Quijote-Zwecke dienlich sein. Wenn ich wütend bin, erfreue ich mich an meiner symbolischen Erfolglosigkeit und gebe anderen die Schuld, denn ich war voll des wilden Mutes. Manche der Windräder stehen auch still, wenn der Wind arg bläst. Und Sancho Pansa wird mir treu zur Seite stehen, wenn der Staub der versprochenen staatlichen Vergünstigungen mir in Form der zuzüglich hohen Zinsen, die ich zu tragen haben werde, um die Ohren wehen wird. Aber die Anhebung des Mindestlohns und die Perlenkette meiner Goßtante werden mich retten. Schließlich, was will ich arbeitssame einfache Person in Auktionshäusern, in denen das Lot (also der geschätzte Preis der Kunstware) durchschnittlich schon mehr kostet als meine Toilette im Sixpack? Himmlisch.
Am Ende komme ich auf das gute alte Atomkraftwerk, das bei den Nachbarn steht, kaufe mir mehrere Elektro - Öfen mit Kabelanschluss und sehe dem mittelalterlichen französischen Dorfcharme völlig gelassen entgegen. Der Charme der Schlösser, die staatlich restauriert werden, strahlt ohne unsere Steuergelder auch nicht so hell.
Auf einen guten Sommer - bonne journée.
Blog 6
Wo gehobelt wird, da fliegen Spä(h)ne, vom Beruf bis in den Tod
Juni 2023
Das Ende der Rente mit 63 Jahren und das am besten sofort? Und das von einem Mann, ist er nicht Berufspolitiker?, der, gar nicht lange ist es her, er blinzelte treuherzig in die Kamera dabei, seine Partei und sich dafür belobigte, man habe, freilich in Koalitionszeiten, die Rente als Möglichkeit auch mit 63 durchgesetzt...?
Irrig, wie ich so bin, kann ich den Ausgleich für Fachkräftemangel und die hohen Kosten für Gesellschaft und Staat am besten ohne Ausnahme und auf dem Trapez empfehlen. Superlative Einkommensmillionäre und Berufspolitiker, letztere in der Regel mit mehr als 10.000 E Monatsgehalt netto (bitte nicht lachen wegen der Mängelexemplarberufswahl, es liegt an der hohen Verantwortung für 28549 Ameisen anderer emsiger Art), sollten künftig den Bonus von Berufsgruppenbedingungen aus der Pflege (dreimal die Scheiße vom Bett gewischt, viermal Katheder entleert und siebenmal Spucke aus dem Gesicht gewischt, elfmal Körper tags in den Rollstuhl gehoben), der Bildung (heute wieder Abiturentwüfe bis nachts um 3.30 Uhr und morgen Korrekturen bis nachts um 2 Uhr, die digitale Verwaltung war gestern früh um sechs Uhr abgeschlossen) und dem Theaterbereich der Kunststücke im Affentempo vor Publikum ohne Absturzsicherung und mit bürokratischer Kniefälligkeit bis 95 Jahre in Schichtarbeit bekommen (das Trinkgeld reicht für das Benzin zur Weiterfahrt), außer, sie können sich im Handwerk, beonders beim Fliesen legen, im Dachbau und Trockenbau verdingen.
Der Stundenlohn, besonders bei Subunternehmen, ist ja bekannt - und Krankenhäuser suchen ständig Pflegepersonal rund um die Uhr - und wenn man fertig ist mit diesem Schichtdienst, lieber Herr S., dann lege man sich, statt Dienstpersonal aus Südosteuropa zu rekrutiieren und sich dabei zu feiern als Sozialgesundpfleger, selbst auf die Bahre nach dem Lebens- sprich Arbeitsdienst.
Das Echo der Karriere vor dem Kameragewitter generiert sich gern als Ethos, die Selbstgefälligkeit des Regierens ohne Kontrollmechanismus der Erfahrung anderer ist ja schließlich das, was der eigenen Macht, der Rhetorik und zur Freiheit dient. Es frisst nicht nur die Revolution ihre Kinder. Aber dieser Absatz ist nur ein Gedankenstrich.
Es gibt natürlich genetische Defekte , die quasibiologisch bestimmte Bevölkerungsgruppen überfallen - wie Fliegenschwärme einen ausgehöhlten, zugegebenen nicht mehr schön das Wahre & Gute spiegelnden und wenig harmonisch in Würde gekleideten Kuhkopf - die braune Haut der Leibeigenen vor Jahrhunderten war für die Kutscheninsassen beim Vorbeifahren auch nur eine widerliche Augenblessur, während sich die Puderdose duftend vor dem eigenen Gesicht bewegte. Daher werden wir sicherlich alle alten Menschen gerne in weiße weiche Watte hüllen auf dem Totenlager, wenn sie direkt vom Beruf - ab jetzt jedes Jahr abwechselnd zum Politikeralltag - ins Grab fallen. Und die sogenannte Mittelschicht ist dann für die Tupperparty jede Nacht zuständig. Als Gastgeberin und Partymanagerin spreche ich für diese Lobby: es sind ab jetzt nicht nur Freunde, Verwandte und Bekannte eingeladen, die jüngste Produktpalette ist auch für den Abwasch durch Politik und Prominenz mit Villenbesitz, Yachtclub und entsprechenden... und ohne Geschirrspülmaschinenreiniger, aber mit den passenden Luxushandschuhen, geeignet.
Kaufen Sie außergewöhnliche Produkte aus der Kollektion in einer regenbogenfabenen, goldenen oder schwarzen Box. Sehr gerne auch mit Herzchen.
Blog 5 Mai 2023
Welchen Politikern und Politiken man mehr als eine Auszeit wünschte
Geldwäsche, Chaffeur- und Geschenkdienste, Zensurpraxis, plutokratische Anmaßung als politische Selbstverständlichkeit, Exklusionssymbolik,Vernichtung von Aufklärung und Dressur von Massenpsychosen, verwaltungstechnokratische Willkür, mediokratischer Populismus, Inszenierungsmodelle von Schein und Klischee- Produzenten, Machmetamorphosen anchaulichster Art, Geheimdienstsabotage und Überwachung, bestellte Auftragsmorde, Femizide, Oligarchepolitik unter Funktionären, chaotisch- systemische Strategien in Bildapparaturformen, technisch gesteuerte Affektlenkung, apathische und fanatische Fußvolkverblödung und sadistische Kriegsgelüste, treuhändlerische Hinterzimmer mit Schwarzgeld-Networking, Giftmorde unter Milliardentransaktionen, korruptive Belohnung nach Staatsdeals in der parteipolitischen Geschäftswelt, spezielle schwarze Kassen in weißem Gewand, Spitzelwirtschaft und suberversive Manipulation mit propagandistischem Ideologietransfer, Aufschwung des politischen Monopols und der Epressungspraktiken, Völkermord als Staatspolitik in tradierter faschistischer Facon, Waffenschmuggel- und Bodenschatz-Raubimperien, Bestechlichkeit und Rechtsbeugung, Kapitalflüsse ohne Rechtsorder und wieder eine heilige Mission, das Land zu retten..., ja, was soll ich sagen?
Niccolo Machiavelli hat wieder einmal den Vogel abgeschossen, bzw. die Ballführung im Profisport der ewigen Männerliga und allgemein des Menschen übernommen. Die Emanzipation der Politik von Geboten hat ja Hannah Arendt schon bei ihm und den totalitären Blöcken als effektvoll diagnostiziert, da musss ich in der Ethik anlässlich von Hobbes Leviathan keine linksghegelianische Kritik am Staatsmachtmodell mehr anführen, zumal Friedrich II zwar früher noch einen antimachiavellischen Text schrieb, während Clausewitz dessen Taktiken übernahm und die Preußen erfolgreich machiavellische Kriegspolitik anwendeten. Max Weber fand die Gesinnungsethik ja auch etwas langweilig in der Politik und unverhältnismäßig viel Mendelssohn und Kant im Sinne einer Vervollkommnung des menschlichen Wesens samt Entfaltung von Fortschritt konnte als funktionale Äquivalenz schon nicht im 20. Jahrhundert gefunden werden; und wird auch heute nur schwer zu finden sein. Dagegen hat kaum einer das Fürstenbuch von Machiavelli gelesen, aber der Spaß am puren Töten, den er Politikern abempfahl, hat wieder Zulauf; Machiavellis Empfehlung, sich weder an Untertanen noch an den Frauen zu vergreifen, wenn diese das nicht wollen, also nicht puren Sadimus als Staatspolitik zu betreiben, liegt weit hinter uns. Verteidigung tut not. Insofern haben wir Machiavelli nun längst überholt: Prominente Vertreter der alten Garde sind prominente Vertreter der neuen Garde.
Aber das ist zumindest ein Anlass, an die Bücherverbrennung auf dem Scheiterhaufen wider des undeutschen Geistes zu erinnern. Der 10. Mai 1933 liegt ebenfalls hinter uns. Wenn Sie bis hierhin gelesen haben, müssen Sie zugeben, dass die nationalsozialistischen Aggressoren der großen Widerstandsliteratur - gegen all das, was wir nicht erreicht haben - unterlegen sind. Und mit diesem Überlebenswillen und diesem Buchstabenglauben schaffen wir einen anderen Sinn.
Blog 4
Freilachsein - zol zayn a shtikele: Fröhlichkeit!
Von Wien bis Krakau zu mir
April 2023
In den Kronen der Bäume vergehen die Tage, schrieb Chaim Semiatizki, in den Kronen der Bäume gingen auch riesig die Tage auf, und sofern das Ich einem Baum gliche, wird es bei mir dasselbe sein, bei Dir auch und bei uns - die finsteren Schiffe der Tage glitten ihm dahin und die weißen Möwen sangen dazu, während er, wie ein Kind im Traum, lachte dabei. Und auch Rachel Korn ist wie ein Baum im Wald zur Höhle gewendet mit allen Gliedern und Sehnsucht grünt ihr neu, nur ihr Schatten nimmt auch von unserer Gestalt Maß, im Refrain ein grauer Flor, so vertraut wie die dünnste Trauer, ganze Bindfäden lang friert der Sommertag im feuchten Gras, mt ihrem Leib hör ich diesem Frühling zu wie einem nichtgeborenen Lied, das sie anstimmt. Und wenn die Träne nurmehr ein Tropfen ist, und die Massen immer wieder aus den Gräben kommen, kann Klang sie neu erschaffen. Als Flagge wird das Wort gehisst von Awrom Suzkewer, der uns leben lässt wie in Spiegeln, im Spiegel seiner Zeit ist der Mensch: "Jedoch was ist er ohne Geige: Ein Bündel Knochen ohne Sinn", so dass die Zeit geht uns zur Neige..., doch wenn wir ungebrochen gehen, ein Baum im Frühling! -, zum Beispiel an einem sonnigen Ufer mit Leiser Wolf, der zu uns gehört, zur Familie aus Worten und Gedanken, öffnete ich mit ihm nur meine Augen, - so ist die Liebe gleich auf meinen Lippen; und von den Menschen glaub nur jedem dritten. Doch lass uns meiden das Leiden, das Jammern, erinnere Dich der Fragen, Du willst mit dem Singen gefallen und Geld auch verdienen dabei? Das Erinnern ist bei Mordechai Gebirtig im Mai 1941, was es gewesen, gehabt hab ich ein Heim, verband die Wurzeln fest zu einem Baum, eine Stube voll von Liedern und Gesang... für sie war nur ein Spiel sein Untergang. Und so, ergänzt von Mirjam Ulinower, lacht die Sonne uns manchmal fröhlich und traurig mitten ins Gesicht, so alt ist das Leid, fügte Kadja Molodowski hinzu, doch, auch wenn uns niemand mit Namen ruft, nimm mit ein Herz, jeder Tag ein brennendes Licht, geschnitten von unserem Wind, dem Gedächtnis.
Gedanken beim Schreiben; ein zweiter Teil des Zyklus "Bräute des Mittags" ist wie ein Strich in der Landschaft, von dem Friedensreich Hundertwasser sagte, er könne so nichts werden, die gerade Linie sei gottlos, daher wiege ich mich in seiner Krümmung und verfolge meinen Weg dabei.
Blog 3 März 2023
Tatsächlich hilft ein Gedicht
Farben - Selma Meerbaum-Eisinger (1924-1942)
So blau liegt es über dem schneeweißen Schnee
und so schwarz sind die grünen Tannen,
daß das ganz leise hinhuschende Reh
so grau ist wie nie beendbares Weh,
das man doch so gern möchte bannen.
Schritte knirschen in Schneemusik
und Winde stäuben die Flocken zurück
auf die weiß überschleierten Bäume.
Und Bänke stehen wie Träume.
Lichter fallen und spielen mit Schatten
unendliche Ringelreihen.
Die fernen Laternen blinken mit mattem
Schein, den vom Schneelicht sie leihen.
Blog 2 Februar 2023
Bildungspolitik ohne Verstand? - Ein Kurieren an Symptomen zu Lasten anderer
Zur aktuellen Diskussion schrieb mir ein durch Erfahrung im Bildungswesen Jahrzehnte in Schaltstellen arbeitender und durch Familientradition mit dem Bildungswesen sehr identifizierter Herr einen Brief.
Ich zitiere:
"Nachdem Politiker und Bildungs-Forscher lange Zeit der heraufkommenden Bildungskatastrophe untätig zuschauten, ist es an der Zeit, dass auch Lehrer zu Wort kommen. Ich komme aus einer Lehrerfamilie, war Zeit meines Lebens Gymnasiallehrer für Englisch und Französisch, Lehrerausbilder, Fachbereichsleiter und zum Schluss Leiter einer zum Abitur führenden Kooperativen Gesamtschule mit ca. 2000 Schülern im Rhein-Main-Gebiet. Mancher Zeitungskommentar und manche Feuilleton- Analyse des augenblicklichen Zustandes der Schulen stimmen im Ansatz: hohe Schülerzahlen, bedenkliche Leistungsschwäche in Rechnen, Schreiben und Lesen, Lehrermangel. Aber diese Darstellung greift zu kurz. Vor allem sind die Vorschläge der Ständigen Wissenschaftlichen Kommission (SWK) der Kultusministerkonferenz zur Behebung der Katastrophe ein panisches Kurieren an Symptomen, einseitig zu Lasten der Lehrer. Die aktuelle Krise der Schule in Deutschland geht viel tiefer. Es wäre besser gewesen, die Forscher hätten den Zustand der Schule einmal schonungslos analysiert. Wer nur mal 10 Stunden im Unterricht einer Klasse in Deutschland dabei war, wird dies sofort bestätigen.
Die Leistungsschwäche der Schüler ist hausgemacht. Jahrzehntelang folgte man der Schimäre, alle Schüler könnten und sollten Abitur machen. Weil man nicht das Geld, die Mittel und die Methoden hatte, alle zu fördern, ging man mit den Forderungen runter. Für Leistungen, für die es früher eine 5 oder 6 gab, bekommt man jetzt eine 2 oder 3. Signal an alle, auch die Eltern: Ihr Kind schafft es. Alle sind zufrieden. Oder aber Eltern klagen gegen die „falschen Noten“ und bringen die Lehrerschaft dazu, ihre Noten „anzupassen“. Oft unter dem Druck der Politik. Bis das Kind dann in der Hochschule, im Beruf oder im Leben scheitert. Die Studienabbrecherquote ist exorbitant hoch. Kein Wunder: Man ist mit dieser Anspruchsabsenkung gar nicht auf ein wissenschaftliches Studium vorbereitet, glaubt aber, es zu sein. Welch eine Zeitvergeudung und Menschenverachtung, indem man die jungen Leute im Glauben lässt, alles sei in Ordnung. Der Öffentlichkeit wird eine Heile-Welt-Anmutung geboten, dabei gibt es ein Geschrei um "verlorene Generationen". Das Abiturniveau sinkt kontinuierlich seit Jahrzehnten. Ganze Bibliotheken in Bildungsinstitutionen und Oberstufen kommen in die Papiertonne. Digitale Unterlagen sollen sie ersetzen: Das führt u.a. zu Paste and Copy, dem sog. Guttenberg-Syndrom, statt zu gedanklicher Durchdringung. 40 % der Oberstufenschüler heute wären besser in einer Lehre aufgehoben. Statt dessen haben wir Fachkräftemangel. Ein großer Teil der Gymnasiasten lässt es an Grundverhaltensmustern mangeln: Disziplin, Lernbereitschaft, Neugierde, analytische Fähigkeiten, forschend-fragendes Verhalten, Leistungswillen, allgemeine menschliche Achtung. Die Lese- und Textkompetenz ist stark unterentwickelt, das Lernen, wenn überhaupt, folgt dem Prinzip des Kurzzeitgedächtnisses: Kannst du nach der Klausur wieder vergessen. Man beobachtet eine große Apathie und Arbeitsmüdigkeit in den Klassen und Kursen, bei gleichzeitigem Einfordern von Respekt für den eigenen Schüler-Narzissmus von sogenannten "Pelikan-Kindern".
Beim Lehrermangel wird seit langem die falsche Frage gestellt. Es sollte nicht heißen „Wie bekommen wir mehr Lehrer?“ sondern „Warum wollen so wenige junge Menschen heute Lehrer werden? Warum schaffen es so wenige zum Zweiten Staatsexamen?“ Oder weiter: „Was läuft falsch an der Schule?“ oder „Warum werden die Lehrer allein gelassen, wenn es um Bildung, Erziehung zum Lernen und Entdecken, wenn es um das Erlernen und Durchsetzen der Regeln geht?“ Und die Lehrerschaft wird stattdessen mit digitalen Verwaltungsaufgaben überfrachtet, mit dem Zurechtkommen mit zunehmender Mediensucht, Autismus und Apathie?
Es ist m.E. angesichts meiner obigen Kurzanalyse nicht verwunderlich, dass Schülerbefragungen heute ergeben: Nein, Lehrer möchte ich unter diesen Bedingungen nicht werden. - Und dann sollen es die noch vorhandenen Lehrer mit noch höherem Einsatz richten. Sie leisten bereits Überstunden, werden an Grundschulen abgeordnet, beraten Quereinsteiger als Lehrer ohne pädagogische Ausbildung, unterrichten unterrichtsfachfremd, müssen sich mit der zunehmenden Gewaltbereitschaft auseinandersetzen, mit den psychischen Problemen der Schüler, mit Migrationsgruppen, die sprachlich noch nicht integriert sind, mit kaum lesbaren, in einer verheerenden Schrift geschriebenen Klausuren oder lustlosen Arbeiten, die kaum Transfer zu erkennen geben, oder schon aufgrund ihrer Kürze kaum differenziert sind, eine allgemeine Überforderung signalisieren.
Und vor allem die Frauen als Lehrerinnen und Studienrätinnen sollen künftig auf ihre Teilzeit verzichten, Frauen mit Kindern in der Doppelbelastung. Will man das bisschen Emanzipationsunterstützung auch noch zurückfahren? Und: Nur 28,5% der Lehrer an Schulen sind männlich, rund 71,5 % sind Frauen. Was sagt das über die Situation in unseren Sekundarschulen? Über den Zustand staatlicher Schulen?
Hier meine Ansätze bzw. Vorschläge: Das System Schule wieder vom ideologischen Wasser-Kopf auf die Füße des Wissens, Könnens, Beherrschens stellen. Erst dann: mehr Geld in das System Schule und Bildung stecken. Schule wieder als Ort etablieren, an dem Kinder aller Schichten Aufstiegschancen durch Leistung, Wissen und Transferfähigkeiten bekommen, und nicht nur durch begüterte Eltern oder vorgetäuscht gute Noten oder geschönte Abiturquoten oder eine aufgemotzte Homepage. Aufstieg durch ein hohes Sprachvermögen – und nicht durch die Propagierung von einfachem Primitiv-Deutsch. Schule als Ort der Erziehung zur Mündigkeit, welches Halbwissen, inszenatorische Kompetenzen oder Fakenews als hohl erkennt. Als Ort der Erziehung zu Staatsbürgern, die aktiv, selbstbewusst und kritisch an der Entwicklung des sich in einer Legitimitätskrise befindenden Gemeinwesens mit reflexiver Urteilskraft mitwirken. "
Blog 1
Januar 2023
Zur Aktualität von William Shakespeare in digitaler Zeit
Was unterscheidet unsere OneNote-Welt digitaler Heftgestaltung von William Shakespeares Welt, in der es alltäglich war, Menschen abzuschlachten, ohne gerichtliche Verhandlungen hinzurichten und den Menschen von seinen Gliedern zu trennen, oft zur Belustigung des peuple? Me too - Dramatik gab es zwar noch nicht, doch Cordelia als Lichtgestalt-Tochter stirbt getreu in den Fußspuren des Vaters König Lear - und die Autonomie sonstiger Töchter (Goneril und Regan) begrenzt sich auf die Gier, die Intrige und den Umsatz. Der Verräter Edmund, ein kleines Licht der Welt, zeigt die Macht der Irrtümer ebenso wie Lear selbst, der politisch sich beerdigen lässt, bevor er stirbt, weil er freiwillig als Rentier sich entmachtet, doch eine Herrschergestalt bleiben will und - vor allem - geliebte Vatergewalt, pardon, Gestalt.
Ja, der Irrsinn des Augenausstechens bei einem getreuen Menschen paart sich mit dem Irrsinn des Mannes Lear, der sich mit den wahnwitzigen und klugen Weisheiten seines Narren mitunter am besten unterhält.
Im Wiesbadener Staatstheater, gespielt im Dezember 2022 vor leider nicht einmal einem Drittel Besuchern des früher, d.h. vor der Pandemie, gut besetzten großen Hauses, ist U.E. Laufenbergs Inszenierung in der Übersetzung von Frank Günther nicht nur bestechend dunkel, sondern auch klar umrissen gestaltet.
Mit den Worten des Narren gesprochen, "macht diese kalte Nacht", d.h. die Welt, in der wir leben, "uns alle noch zu Narren und Verrückten". Vor dem Hintergrund einer visuell die prägnanten Kriege des 20. Jahrhunderts in Standarten und Stechschrittparaden in Erinnerung rufenden Leinwand, spielte das Schauspielensemble vor allem mit artistisch ungekünstelter Sprache in einem Raum, der sich vor ihr schloss, sich öffnete und ihr wieder entrückte - wie Stabiles und Mobiles (Calders) als anschwellende Ausdehnung der Einzelformen unter Licht-Schatten-Bewegung und mit einem Schall bis ins Erkenntnisreservoir des uns erreichbaren Weltalls.
Es bleibt ein Geheimnis, warum die Figuren sich bis heute so erleben. Die Spracharmut, die die digitale Arbeitstechnik mit uns als Schablonen und Archetypen heutzutage bewegt, zeigt unseren Theateralltag als Figuren sitzend vor dem Handy immerfort. Die Lesekompetenz nimmt dabei ab wie allgemeine Kulturtechniken und Schreibfähigkeiten auch. Als in unmittelbarer Nähe gelegenes Unterrichtsfach führt sie uns mit sich, lüftet das Geheimnis von Shakespaeres Vorgefühl auf das romantisch sich verzerrende Marionettentheater: ein bloßes Gehäuse, man hält eine einzelne Methode für die Welt, eine irrtümliche Verwechslung zwischen uns lebenden Wesen und Apparaten. Wir sind zu ersetzen durch diese. Digitale Endgeräte, in der Hand einer Schüler- und mitunter Studentenschaft, die alltäglichem Digitalisierungfetischismus ausgesetzt ist und mit Sucht, Kommunikationsstörungen und Sinneswahrnehmungen wie ihrem Skelett zu kämpfen hat, werden uns zu Narren der Zukunft erziehen. Oder wir sie? Abbilder und Zeichnungen sind dann nicht mehr handgemacht und durchdacht; und die besondere Erfahrung, dem nächsten Krieg mit Filmen von Tablet-Kameras und unter Einfügen selbstgemachter Bilder beizuwohnen, steht vor der Tür. Shakespeare hält sie uns auf, auch wenn niemand mehr kommt. Daher sollten Jugendliche ihn wieder lesen und analysieren lernen. Oder wieder ins Theater gehen.
Blog 11
Von Müttern lernen -Salut et enchantée zum 80-sten des kleinen Unterschieds!
Dezember 2022
Von Müttern lernt man nicht nur freiwillig. Man sträubt sich. Man liebt. Man duckt sich, drückt sich an sie, wendet sich ab. Man vermisst und protestiert zuerst gegen das, was man verlassen muss. Dann sehnt man sich nach ihnen. Man übernimmt etwas bewusst und unbewusst noch mehr. Man sieht sich in ihnen, und das Auge von ihnen ruht streitbar, sorgen- und liebevoll auf dem, was man wird. Und man liest.
Die Bibliotheken werden geräumt, die Hochkultur schwindet, wenn sie jemals mehr als eine Illusion war, die smarte Digitalisierung tritt kopflos an uns heran, die Welt von gestern aber hat uns geboren. In einer Zeit, in der sich zu viele junge Frauen vor allem der erkämpften Rechte bedienen, aber vor Pflichten sich zieren - und zu viele junge Männer mehr an sich selbst, als am Zustand der Welt leiden hierzulande, ist es umso wichtiger, sich auf Bodenhaftung zu besinnen; auf Mütter, auf Ahnen zu blicken. Kaum jemand aus der jüngeren, nicht volljährigen Generation kennt von sich und von Haus aus noch diese meine Namen: Schrift- und Buchkultur bleiben erlernbar als Kopf- und Herzensbildung, ein Vermächtnis, das Mütter und Großmütter auf ihre Weise interpretierten. Sie standen am Anfang einer Entwicklung einer Geschlechterdebatte, von Emanzipation und Weiblichkeit, die von ihnen angestoßen wurde.
Zuerst erzogen mich die Memoiren von Simone de Beauvoir, später ihre Romane und das theoretische Werk über das andere Geschlecht und das Alter, ehrfürchtig, manchmal auch stirnrunzelnd. Astrid Lindgren war auch immer phänomenal dabei, nicht nur mit ihrer Pipi, über einen langen Zeitraum zog Lizzie Dorons ganzes Werk durch meinen weiblich-geschichtlich geprägten Magen. Marguerite Duras' Romane verschlang ich ohne Ende und immer wieder wie Luft einatmend. Keine Diskussion, von Alice Schwarzer und ihrem tadellosen Engagement angestoßen, ging an mir vorbei, ohne an die Tür zu klopfen - und sei es aktuell betreff der Ukraine, mit Widerspruch.
Edith Piaf sang dabei einzigartig kraftvoll-labil mit ihrer Stimme; und Trude Simonsohn ermahnte mich, die unsrige zu erheben und auf ihre mit meinem Mut und Dank zu hören, durchaus schmerzhaft und kontrovers in jede Richtung, auch unter uns. Nina Hagen röhrte nervenaufreibend klar dazwischen und verwickelte mich in Provokation, und Virginia Wolfs Mrs. Dalloway fesselte mich sprachlich, während Meryl Streep meine Bewunderung gehörte und Romy Schneider (die Ältere) mich ergriff. Während Christa T´s literarisches Schicksal der Christa Wolf und ihre Erzählungen und Essays mich tief beeindruckten und Anna Seghers Gesellschaftsromane und ihr "Transit" mich ein Leben lang begleiteten, eröffneten mir Toni Morrisons "Menschenkind" und Marilyn Frenchs "Töchter ihrer Müttter" eine neue Welt.
Hannah Arendt, Silvia Bovenschen und Margarethe Mitscherlich waren wissende und wissenschaftliche politische Belgeiterinnen mit Augen öffnender Funktion - und wenn Namen nicht nur Schall und Rauch sind, bleiben Else Lasker-Schüler und Anna Achmatowa ranghohe biblische Vertreterinnen nicht nur des Anbruchs der Gegenwart. Und Bettina von Arnim, Rahel Varnhagen, Karoline von Günderrode, Dorothea Mendelssohn-Schlegel, Sophie Mereau und Caroline Schlegel-Schelling sind stets präsent. Nelly Sachs' Gedichte wurden eine Sehne eines Arms und die Prosa von Ingeborg Bachmann eine andere. Die Beine aber, die mich das Laufen lehrten, waren gemischter Natur und formten sich mit der Familie Singer.
Meine Mutter hatte die lieblichste Gestalt unter ihnen.