Rezensionen bei Amazon (Auswahl)
30. Januar 2019
„Gute Bücher erklären und öffnen uns die Welt, wie niemand sonst es vermag. Sie schärfen unseren Möglichkeitssinn, verfeinern unser Gehör, bilden unseren Geschmack. Sie zerreißen den Panzer aus Konvention und Banalität, der uns umgibt.“ (Iris Radisch)
Stefanie Gödeke eröffnet den Leserinnen und Lesern in ihrer Familiensaga „Fremde Wesen“ die Möglichkeit, in die Welt des 20. Jahrhunderts einzutauchen; in eine Welt, welche von Verfolgung, Verdrängung und Unterdrückung gezeichnet war und in welcher vier eindrucksvolle Frauen– Luise, Ottilie, Marthe, Caroline - versuchen, ihren Weg, ihre Identität, zu finden.
Die Autorin lässt die Leserinnen und Leser tief in ihre Figuren eintauchen , sodass deren Inneres erfahrbar wird und sich jene unweigerlich mit diesen identifizieren können/müssen. Das gelingt ihr vor allem durch die einfühlsame, präzise und treffende Beschreibung der Charaktere sowie der äußeren Umstände, seien es die Schauplätze oder auch historisch und politische Hintergrundinformationen. Sie beschönigt deren Schicksale nicht, es geht ihr nicht um die Schilderung von Banalitäten, und schon gar nicht darum, seichte Unterhaltungsliteratur zu kreieren.
Vor allem die eindrucksvolle Schilderung der Flucht in den Westen, in welcher Luise, um ihre Familie zu beschützen, Übergriffe der Russen schweigend über sich ergehen lässt, bleibt im Gedächtnis. „Sie [Ottilie] wusste Luise über sich, die in der Totenstille, die eingetreten war, hastig ein paar Decken über die Köpfe der drei ältesten Kinder im Wagen warf und Anna, weil sie zu wimmern anfing und unauffällig bleiben sollte, so gut es ging, unter ihrem Mantel verbarg. [...] Dann war es Luise, die im Schnee auf die Knie sank, als einer der Russen ihr Anna entriss [...]“( S. 96.).
Stefanie Gödeke hat mit ihrer Familiensaga nicht bloß ein gutes Buch geschrieben, sondern ein Kunstwerk erschaffen, das absolut zeitlos und auch generationsübergreifend lesenswert ist!
WS
Familiensaga – Nun geh und mach was draus!
3. September 2018
Familie – Ort der Selbstbindung oder Selbstfindung? Stefanie Gödeke sucht in ihrem Roman „Fremde Wesen“ Antworten darauf. Für ihre vier weiblichen Protagonisten fallen sie jeweils sehr verschieden aus. Dazu nimmt sie den Leser ihrer Familiensaga über die Suhrkaus und Kalweits mit auf eine Zeitreise durch das gesamte 20. Jahrhundert, vom Grenzland Ostpreußen über den nieder-sächsischen Solling bis in das urbane Frankfurt.
Die Autorin schildert das Leben der Familie einfühlsam, treffsicher, mit äußerst präziser und ausdrucksstarker Sprache, reichem Wortschatz, voll durchgezeichneten, brillanten Bildern und ausgefeilter Metaphorik.
Die drei Lebensräume gliedern den Roman in seine drei Teile: Im ersten Abschnitt erleben wir die Familie Suhrkau im masurischen Ostpreußen nach dem 1. Weltkrieg und unter dem Nationalsozialismus. Nach der Flucht geht es dann im Solling um Wiederaufbau und verknappte Vergangenheitsbewältigung, die masurischen Muster werden übernommen. Im dritten Teil schließlich ergreift uns das Schicksal der nachwachsenden Generationen und ihrem symptomatischen Pendeln zwischen dem zukunftsträchtigen Frankfurt und dem vergangenheitsverhafteten Leben im Solling. Im scheinbaren Mittelpunkt steht der Patriarch der Familie, Erich Kalweit. Um ihn herum die vier sehr unterschiedliche Frauen aus drei Generationen. Sie stehen für die drei Abschnitte.
Luise und Ottilie: Die beiden gehen sehr unterschiedliche Wege. Luise, selbstbewusst, eigensinnig, asketisch und lebensbegierig zugleich, setzt gegenüber ihren elitär und besitzsichernd denkenden Eltern ihre Hochzeit mit dem Forstvorsteher Erich Kalweit durch. Zugleich fühlt sich Luise der Tradition ihrer Eltern verbunden. Sie akzeptiert Übergriffe durch Nazigrößen vor Ort und schweigt. Ihre Schwester Ottilie dagegen weigert sich, den Reichswehroffizier Karl von Rohwerder zu heiraten und entsinnt sich jüdischer Wurzeln. Sie lebt künftig als Geschäftsfrau und mahnendes Gewissen der Familie. Die Hoffnungen auf ein gutes Ende in Ostpreußen sind vergeblich. Die Flucht 1945 nach Westen gelingt erst, nachdem man auf einer Spur von Vergewaltigungen, unsäglichem Leid und Verlusten an Menschen und Humanität gezogen ist. Diese Spuren lassen tiefe Risse in die Familie zurück.
Marthe: Wir schauen in eine verstörte Seele ohne echtes Selbstgefühl. Wir erleben ihre innere Brüchigkeit, ihre Angst vor Lust und Zärtlichkeit. Wir fühlen beklommen ihr Unerwünschtsein. Sie zweifelt an sich, ist aber der Gewalt hörig. Planlos, nur vom Wunsch getrieben, ihr Kind zu bekommen, geht sie allein in die Fremde, nach Frankfurt. Die Geburt selbst lässt neue Hoffnung aufkeimen. Der Prozess des Beschützens des neuen Lebens gibt ihr wieder einen Lebenssinn.
Caroline, ihre Tochter, ist ein scheues, ängstliches Wesen mit einer misstrauischen Natur. Zugleich kann sie unbekümmert, mutig, ideenreich auf ihre Umwelt einstürmen wie ein Derwisch. Sie erlebt die Festigkeit der Lebensformen bei den Großeltern als ihren Lebensanker. Caroline wehrt sich gegen den neuen Frankfurter Mann, der ihre Mutter zerstört. Die Distanz zur Mutter, die diesem Mann nachgibt, wächst. Ihre neuen Zieheltern findet sie in Literatur und Philosophie. Sie erlebt früh an sich starke Sinnlichkeit und Körperfreude. Nach dem Auszug in eine eigene Wohnung bleibt sie sich oft fremd.
Beim letzten Treffen mit ihrer Tochter sieht Marthe, an Caroline gewandt, sehr klar: Das Leben besteht aus unversöhnlich- gegensätzlichen Kräften. Sie fordert ihre Tochter auf: „Nun geh und mach etwas daraus.“
Ein Roman für alle Menschen auf der Suche nach ihrem Ich. Absolut lesenswert!
Mehr als ein Generationenroman
15. Oktober 2018
In „Fremde Wesen“ hat Stefanie Gödeke eine gelungene und subtile Mischung aus Generationenroman, Gesellschaftsroman, historischem Roman und Entwicklungsroman geschaffen. Sie schildert das Schicksal einer ostpreußischen Kaufmannsfamilie aus Perspektive der Ich-Erzählerin Caroline über vier Generationen. Caroline ist das erste Kind der Familie, das nach dem zweiten Weltkrieg und der Flucht aus Ostpreußen in eine westdeutsche Gesellschaft hineingeboren wird, die insbesondere seit den späten 1960-er Jahren nach neuen Strukturen und Idealen sucht. Die Beschäftigung mit ihren familiären Wurzeln ist für sie kein Selbstzweck, sondern eine Notwendigkeit, um zwischen den ihr vertrauten patriarchalen Strukturen und dem zeitgemäßen Wunsch nach Freiheit eine Identität als selbstbewusste Frau zu entwickeln.
„Es gab die Heimat nicht mehr, von der sie, Großväter und Großmütter mit Sehnsucht sprachen“, stellt Caroline fest. „Und doch verstand ich die Wucht der Erinnerungen, die meine Großmutter manchmal überkam und die so stark war, dass sie auch mich streifte. Sie war immer Ostpreußin geblieben, man hätte ihr das Herz herausreißen müssen, um eine Westdeutsche aus ihr zu machen.“ Doch die Familie hatte mit der Flucht aus Ostpreußen nicht nur ihre Güter verloren, sondern auch ihre gesellschaftliche Stellung: Die gelebten patriarchalen, preußischen Werte waren nicht dazu geeignet, eine moderne, zukunftsfähige Nachkriegsgesellschaft aufzubauen.
Das hindert Carolines Großeltern, den Förster Erich Kalweit und seine Frau Luise, nicht daran, nach seiner Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft in einer abgelegenen Försterei im Solling die alten Gewohnheiten aufrecht zu erhalten. Erichs patriarchales Regiment gewinnt sogar an Schärfe, weil er nach der Rückkehr zu seiner Familie erkennt, welch enorme Leistungen Luise während seiner Abwesenheit vollbracht hat „und dass sie ihn an Zähigkeit übertraf. Und je stärker er diese Tatsache als Kränkung empfand, desto harscher ging er mit ihr um.“ Es ist keineswegs nur der harte Kampf darum, vier Kindern zu ernähren und groß zu ziehen, der das Leben der Familie prägt, es sind auch zahlreiche archaische Traditionen: „Lust, das war ein Fremdwort; im Vokabular der Familie mit doppelten Anführungsstrichen versehen. … Was hinter der Tür des elterlichen Schlafzimmers stattfand, machte die Frau dem Mann Untertan, das tägliche Gehabe der Mutter die Töchter minderwertig und die Macht des Vaters die Kinder still.“
Carolines Geburt ist eine weitere Zäsur in der Familiengeschichte: Ihre Mutter Marthe hat sich von einem verheirateten Mann schwängern lassen und sich im letzten Moment entschlossen, das Kind nicht abzutreiben. Es kommt zum Bruch mit ihren Eltern und Marthe zieht nach Frankfurt am Main, um dort ihr uneheliches Kind zu bekommen und den Lebensunterhalt für die kleine Familie zu erarbeiten.
In einer Notsituation bittet Marthe ihre Eltern ein paar Jahre später, die kleine Caroline für eine Weile zu sich in die Försterei zu nehmen. Für das Mädchen bricht eine prägende Phase seiner Kindheit an: „Carolines Einzug in die Försterei gab Auskunft über die Fähigkeit eines jungen Menschen, das Herz eines alten zu erobern, der sich noch einmal im Spiegel des Lebens der Welt zuwendet.“ Der Patriarch Erich akzeptiert das Kind, das ihn lieben lernt und wie einen Vater betrachtet. Doch auch dies hat einen Preis: Ihre Großeltern nennen Caroline Linus und behandeln sie wie einen Jungen.
Für Caroline wird diese Lebensphase bedeutend, weil sie ihr Halt und Orientierung bietet in einer Welt, die ansonsten meist unsicher und chaotisch wirkt: „Die konservative Lebensführung der Kalweits bestach auch im sechsten und siebten Jahrzehnt des zwanzigsten Jahrhunderts durch ihre Verlässlichkeit. Eine derartige Festigkeit in den Beziehungen war in kaum einer anderen Lebensform geleistet, die Caroline kannte, und sie sog sie in sich auf; abertausende winzige Schablonen, die ineinander verschachtelt Psyche und Charakter formten.“
Dieser Charakter hilft Caroline später in ihrem persönlichen Kampf gegen Jochen Werneck, den Marthe heiratet, als das Kind sechs Jahre alt ist. Doch der Wunsch ihrer Mutter nach einem harmonischen Familienleben geht nicht in Erfüllung: Werneck hat BWL studiert, ist ein gut verdienender Bankmitarbeiter, alkoholsüchtig und zu Hause oft aggressiv und gewalttätig. Seine regelmäßigen Attacken und Übergriffe gegen sie und Marthe treiben die pubertierende Caroline schließlich an den Rand des Selbstmords. Die Liebe zu ihrer Mutter und ihr wacher, analytischer Verstand helfen ihr zu überleben. „Erich Kalweit, Jochen Werneck lebten ganz in einer Tradition, die aus dem Kind den Krieger machte, den Verstand mit der Nabelschnur entfernte und das Gefühl den Frauen überließ“, stellt sie später fest.
Schließlich lernt Caroline auch, mit den Widersprüchen umzugehen, mit denen sie sich als junge Frau angesichts ihrer Wünsche nach Freiheit und Geborgenheit konfrontiert sieht. In einem Gespräch mit ihrer Mutter Marthe sagt sie: „Ich meine, wir haben alle große Angst, Erich Kalweit zu verlieren, zu verlassen, ihn zu entbehren. Wir hängen an ihm, obwohl wir wissen, dass niemand so leben sollte, wie unsere Familie es getan hat. Dass überall so gelebt wird, dass die Unterschiede vielleicht nur graduell sind, dass man immer nur ein winziges Stück weiter, freier, authentischer sein kann, als die Gesellschaft, die einen umgibt, dass man es aber nicht unversucht lassen darf, weil man sonst aufgegeben hat, überhaupt etwas zu sein. Jeder Schritt ins Innere ist ein Schritt gegen die Angst. Das winzige Feld, das frei wird, ist man selbst, ist die Freiheit, die man mit anderen, mit dem Fremden, mit der Welt teilen kann.“
Unbedingt lesenswert!
Forsthaus, aber nicht in Falkenau
September 2018
Wie es in einem Forsthaus angeblich zugeht, glaubt man dank der von 1988 bis 2013 ausgestrahlten Familienserie "Forsthaus Falkenau" genau zu wissen. Es ist aber schwer vorstellbar, dass sich die Forsthausgeschichten aus dem der Roman "Fremde Wesen" für das Vorabendprogramm qualifizieren werden. Die durchgehend ungeschminkt-realistische Schilderung des Schicksals von vier Generationen erzählt den Abstieg vom großbürgerlichen Milieu in den 20er Jahren bis zum Ende des 20. Jahrhunderts in eher kleinen Verhältnissen.
Thomas Mann konnte seinen Mehrgenerationenroman "Die Buddenbrooks" noch fast zur Gänze in Lübeck spielen lassen. Aber spätestens seit 1945 sind Familiensagas häufig mit dem Wechsel der Wohnorte verbunden, bei deutschen Familien häufig auf Grund von Flucht und Vertreibung und arbeitsplatzbedingter Binnenmigration. So endet der Roman "Fremde Wesen" eher durch Zufälle in Frankfurt.
Die Geschichte beginnt in einem Landschaftidyll in Ostpreußen. Aber selbst beim abgelegenen Forsthaus am See spürt man die Auswirkungen des 2. Weltkriegs und auch dort geschehen rassistische Nazi-Verbrechen.
Es ist die Urenkelin Caroline, die aufdecken will, welche Geheimnisse ihre Familie versteckt.
Lesenswert!
bkk
18. Oktober 2018
Die Autorin beschreibt sehr lebendig eine deutsche Familiengeschichte über 4 Generationen, geprägt durch den 2.Weltkrieg, der Flucht aus Ostpreußen und dem Neuanfang in Westdeutschland.
Mit dem Neuanfang das große (Ver)Schweigen, das sich Generationsübergreifend auswirkt. Erst die 4. Generation in Form der Enkelin Caroline versucht das nebulöse Geflecht aufzulösen.
Die Kriegsgeneration, selbst Mitläufer, Täter aber auch Kriegsopfer, die ihre Besitztümer und die Heimat verloren haben und die mit Härte und Fleiß wieder etwas aufbaut.
Die Kriegskinder, eigentlich traumatisiert von Krieg und Flucht. Sie werden von dieser gestählten Generation aufgezogen. Es gibt keine Zeit zur Aufarbeitung, wenig Zärtlichkeit dafür aber viel Arbeit. Für die sensiblen Töchter Marthe und Anne nicht folgenlos.
So haben die Erlebnisse von Marthe wiederum Auswirkung auf das Leben ihrer Tochter Caroline.
Stefanie Gödeke beschreibt auf spannende Art ein deutsches Trauma. Dabei werden Landschaften und Personen so lebendig beschrieben, das man in sie hineintauchen kann.
Spannend und sehr zu empfehlen!
1. Oktober 2018
Der in anspruchsvoller Sprache geschriebene Familienroman hat sich als sehr spannend entpuppt, sodass ich ihn binnen weniger Tage verschlungen habe. Zu Beginn braucht man etwas Zeit, um sich in die unterschiedlichen Handlungsstränge einzufinden - ist man jedoch einmal eingetaucht, fällt es schwer das Buch wieder beiseite zu legen. Über den Inhalt des Familienromans lässt sich in den anderen Rezensionen einiges lesen, daher bleibt mir nichts mehr zu sagen, außer: Sehr zu empfehlen!
Ein ernster deutscher Roman, der Tabuthemen nicht ausspart!
24. Oktober 2018
Ein echt packender durchdachter Roman, den ich garnicht mehr aus der Hand zu legen vermochte. Ich kann diesen Roman wirklich weiter empfehlen.
24. Oktober 2018
Sehr fesselnder und gut geschriebener Familienroman!!
Am Ende doch sehr vertraut und gar nicht fremd
11. Oktober 2018
Wer gerne Familiengeschichten liest, ist mit diesem Roman richtig gut bedient!
Es geht in diesem Roman nämlich genau um eine solche Familiengeschichte über vier Generationen, beginnend mit der Zeit zwischen den Weltkriegen.
Wirklich gekonnt und somit gewinnbringend für den Leser und die Leserin ist, dass immer wieder auch historische Ereignisse einfließen. Und diese historischen Bezüge sind mehr als die sehr eindringlichen Schilderungen der Gräueltaten der Nazis in Bezug auf die deutsche und polnische Bevölkerung jüdischen Glaubens. Die Geschichte Ostpreußens, das Leid bei Vertreibung und Flucht, aber auch die Zeit der Neuorientierung nach dem Zweiten Weltkrieg prägen neben den Verbrechen der Nationalsozialisten den Roman und damit auch dessen Figuren.
Mir ist vor dem Lesen dieses Romans nirgends so facettenreich vor Augen geführt worden, welche Lasten aufgrund der Erfahrungen vorangegangener Generationen Menschen in sich weiterschleppen können und was dies mit ihnen machen kann. Den einen merkt die Umwelt nichts an, sie trotzen allen Widrigkeiten und "funktionieren", andere werden regelrecht in den Wahnsinn und die Psychiatrie getrieben.
Den Anfang fand ich aufgrund der verschiedenen Zeitebenen und relativ vieler in kurzer Zeit eingeführter Figuren allerdings recht verwirrend, ich fürchte, das lässt den einen oder die andere die Lektüre aufgeben. Aber wer sich durchbeißt, wird belohnt. Ab Seite 50 war ich dann richtig ins Romangeschehen und in die Familienstrukturen eingetaucht, hatte endlich den Durchblick bei den Verwandtschaftsverhältnissen und wohin die Fäden laufen (sollen).
Der Roman besticht neben den lesenswerten Familienschicksalen vor allem durch seine Sprache: viele sehr poetische Textstellen, in Wortwahl und Satzbau abwechslungsreich, sehr bildreich. Die Beschreibungen sind so, dass ich mir die Orte und Personen genau vorstellen konnte.
Mir gefällt auch die Idee, das Geschehen aus Sicht einer Ich-Erzählerin der jüngsten Generation erzählen zu lassen, die sich auf die Suche nach ihren Wurzeln begeben hat und dabei aus den Erinnerungen der noch lebenden Familienmitglieder ihre Familiengeschichte rekonstruiert. Auch im weiteren Verlauf des Romans wird immer wieder die Chronologie durchbrochen, manche Ereignisse werden gekonnt antizipiert, ohne jedoch zu viel zu verraten.
4 1/2 Sterne - am besten selbst lesen!
Familiengeschichte im Spiegel des 20. Jahrhunderts
20. November 2018
Der Roman "Fremde Wesen" von Stefanie Gödeke ist nicht nur ein zeitgeschichtliches Dokument, indem er eine Familie ostpreußischen Ursprungs durch das gesamte 20. Jahrhundert begleitet bis in die Jetztzeit, mit allen Schrecknissen zweier Kriege, Verfolgung und Flucht, sondern er beschreibt auch einfühlsam die Charaktere der handelnden Personen in schweren, nur selten unbeschwerten Zeiten und Lebensumständen sowie ihre durch Traditionen und Familienstrukturen geprägte Entwicklung.
Die Autorin beherrscht die Kunst, mit einer Fülle von Details in ihren Beschreibungen anschauliche Bilder von Orten und Personen zu erzeugen, ohne mit diesem Detailreichtum zu ermüden. Überhaupt verfügt sie über überraschende und gleichzeitig überzeugende Sprachbilder, die das Lesevergnügen auf jeder Seite wach halten.
Ich wünsche diesem Roman aufmerksame, neugierige und zugewandte Leser jedweder Generation - derjenigen, die Erinnerungen an die Nachkriegszeit teilt, die sich an den Aufbruch der 68er erinnert, aber auch der jungen Generation, die von den Jahren des Aufbruchs allenfalls noch die Musik kennengelernt und zum Teil geliebt hat. Sie wird sich anhand der Lebensgeschichten, die Stefanie Gödeke erzählt, besser einfühlen können in die Gedankenwelt der Eltern und Großeltern.
15. Oktober 2018
Sehr gutes Buch welches die Generation übergreifende Konflikte schön darstellt und beschreibt
Fremde Wesen - Besser verstehen
17. Februar 2019
Stefanie Gödeke beschreibt auf sensible und subtile Weise die Verstrickungen ihrer Familie mit den Ansichten und Gedanken der Gesellschaft zu Beginn des 20. Jahrhunderts und des NS-Regimes. Ihr Roman hat mir die Augen geöffnet meine eigene Familiengeschichte besser zu verstehen. Ein großartiges Buch, was absolut empfehlenswert ist.
15. Februar 2019
Der historische Familienroman von Stefanie Gödeke, der zwischen zwei Weltkriegen beginnt, zeigt die Zerrissenheit einer Familie als Problem der inneren Emigration auf. Zwischen politischer Opposition zum NS-Terror und anfänglicher Begeisterung für seine Ideologie, zwischen Rückzug, Mitleidsethik, Verleugnung und dem sich Einlassen bis zum Verhängnis millionenfacher Ermordung von Völkern durch NS-Politik und Krieg, spannt sich der Bogen. Angst und Beschädigungen, Flucht, Verfolgungen und auch Themen wie Schuld und Trauma werden in der eigenen Familie in der Nachkriegszeit kaum besprochen, das Leben und das Morden unter der Diktatur vergraben. Die Kriegs- und Nachkriegskinder sind davon betroffen, und die Enkel- und Urenkelgenerationen werden persönlich auf diesem Weg gesplitterter Familiengeschichte geformt. Der politische und private Weg zur Demokratie erfordert auch persönlichen Einsatz.
Ein differenzierter Roman!
Der Eindruck wird noch intensiver, wenn man Land und Leuten vor und nach 1945 direkt und vor Ort begegnet ist.
Rezension bei BoD (Auswahl)
Sehr lesenswerte Familiensaga
Bas Buch beschreibt die Erschütterungen einer bürgerlichen Familie in Kriegs- sowie Nachkriegszeit und hier vor allem das Schicksal der Frauen.
Die bürgerliche Doppelmoral, die Zerrissenheit im Wandel der Zeiten wird eindringlich geschildert in einer Sprache, die teils poetisch, aber nicht zu kunstvoll gehalten ist.
Die Charaktere sind empathisch und authentisch enwickelt.
Ein sehr lesenswertes Buch.
Bewertung von C. Z.
Veröffentlicht am 25.11.18